Die Chronik endet allerdings 2012, die Geschichte der Vorratsdatenspeicherung allerdings nicht. Die restlichen Daten bis heute haben wir dann aus dem Heise News Archiv ermittelt und eingetragen.
Cables
Dann haben wir uns den Cableviewer zur Brust genommen und die Cables nach der Vorratsdatenspeicherung durchsucht, und sind auch fündig geworden.
Und es kamen Interessante Fakten zu Tage: schon Anfang 2005 (CABLE 05BRUSSELS337) deuten die USA ihre totale Speicherwut an.
The EU wished to avoid excessive retention periods. Swartz responded that the U.S. was going in a different direction.
Oder auch der Wunsch der USA Echtzeit-Zugriff auf die Vorratsdaten zu erhalten, den sie schon 2006 äusserten (06VIENNA764):
(SBU) On the EU Data Retention Directive, USDEL (Richard) noted our desire to ensure that when Member States consider national legislation concerning procedures for law enforcement to gain access to the retained data, that they include provisions for third countries likewise to gain access. U.S. indicated its intent to take this matter up with Member States on a bilateral basis. He indicated an expectation that existing MLATS would be available for gaining access to the data, but USDEL pointed out we didn,t have MLATs with all Member States, and in any case they would not address our real-time needs in this area.
Estland teilt dann auch gleich seine Vorratsdaten mit den USA um Raubmordkopierer zu fassen. (08TALLINN90)
(Und sich damit einen besseren Stand im Special Report 301, eine Raubmordkopierer Watchlist für Länder, zu verschaffen)
In November 2007, the Parliament passed Amendments to the Electronic Communication Act (AECA), implementing the EU Data Retention Directive. The AECA will provide the legal basis to acquire user log information from internet service providers and thus contribute to the information exchange and cooperation with law enforcement agencies in the fight against internet piracy.
Wir wollen nicht alles vorweg nehmen, lest selbst:
Derzeit läuft eine Umfrage der EU-Kommission zu einer Europaweiten Lösung für das Urheberrecht.
Bisher kocht dort jedes Land sein eigenes Süppchen, was repressive Systeme begünstigt und die Lage für Unternehmen oft undurchsichtig macht - zum Nachteil für die User.
So können z.B. Musikvideos in vielen Ländern angeschaut werden, in Deutschland sind sie aufgrund der gestoppten Verhandlungen zwischen GEMA und Youtube nach wie vor nicht sichtbar - ein Europaweites Urheberrecht könnte dieses verbessern.
Diese Umfrage werden natürlich auch Lobbyverbände und Rechtsvertreter nutzen um ihre Position stark zu machen.
Zu allem Überfluss liegt der Fragenkatalog auch nur in Englisch vor und umfasst satte 80 Fragen - damit werden viele Bürger abgeschreckt.
Dennoch ist es eine Möglichkeit eine Gegenposition zu den Lobbyisten zu schaffen - und die Fragen wurden bereits übersetzt:
Auf http://okfde.github.io/eucopyright/30c3/de/ findet ihr einen Katalog der die wichtigesten Fragen zusammenfasst und euch durch die Antworten leitet und passende Hinweise gibt.
Natürlich gibt es auch den gesamten Katalog übersetzt und digitalisiert:
So kann der Fragenkatalog in weniger als 15 Minuten beantwortet werden (natürlich auch auf deutsch!) und muss dann nur noch heruntergeladen und an die EU-Kommission geschickt werden.
Im Makerspace Attraktor in Hamburg findet jeden Dienstag die Veranstaltung " Back to Hack" statt, und die Ankündigung für letzten Dienstag war:
Beim Back to Hack am 26. Februar möchten wir mit euch – ergebnisoffen – über das Thema Netzneutralität diskutieren.
Netzneutralität bezeichnet die wertneutrale Datenübertragung im Internet. Netzneutrale Internetdienstanbieter senden alle Datenpakete unverändert und in gleicher Qualität von und an ihre Kunden, unabhängig davon, woher diese stammen, zu welchem Ziel sie transportiert werden sollen, was Inhalt der Pakete ist und welche Anwendung die Pakete generiert hat.
Ein einfaches Prinzip, das jedoch erfahrungsgemäß schwierig an Nicht-Nerds und -Geeks zu vermittelt ist.
In der Diskussion möchten wir auf folgende Fragen eingehen:
▪ Was verstehen wir unter dem Begriff “Netzneutralität”?
▪ Vor- und Nachteile von Priorisierung
▪ Was würden wir von unserem Anbieter erwarten?
▪ Big Business und Netzneutralität
▪ Orange und Google (YouTube)
▪ Facebook (und der freie Smartphone-Zugang)
▪ Wird der Markt das regeln?
▪ Deep Packet Inspection (DPI)
▪ Wie gehen wir damit um?
▪ Muss “die Netzgemeinde” aktiv werden und wenn ja wie?
Gemeinsam mit euch würden wir gerne nach der Diskussion tragfähige Metaphern, Bilder und Analogien entwickeln, mit denen man Menschen, die nicht vom Fach sind, das Themengebiet Netzneutralität mit seinen Vor- und Nachteilen möglichst korrekt – aber eben einfach – vermitteln kann.
Zum Verlauf des Abends:
Wir waren uns schnell einig, dass Netzneutralität bedeutet, in dem Falle ähnlich wie bei der Post, dass Daten wie Briefe gleich versendet werden, unabhängig davon ob es sich um einen Liebesbrief oder um eine Rechnung handelt, um VoIP Daten, um eine Webseite oder um eine E-Mail.
Für alle die, die jetzt schon abgeschaltet haben und nicht wissen worum es überhaupt geht, oder warum man solche Prinzipien diskutieren sollte, aber am Thema interessiert sind, denen seien die Videos vom Elektrischen Reporter ans Herz gelegt. (Die hängen wir unten nochmal an)
Das Kurze zum Einstieg aus einem Segment für das Heute Journal von Mario Sixtus:
Denkwürdiger Satz, sinngemäß: "Ich möchte nicht dass das Internet in 10 Jahren aussieht wie Kabelfernsehen." Dieses greifen wir später nochmal auf.
Wichtige Begriffe
Aber auch hier kommen Bezeichnungen die vielleicht auf Anhieb nicht verstanden werden: Quality of Service (QoS) zum Beispiel, oder Serviceklassen.
Quality of Service (QoS)
QoS ist eine Technik in Kommunikationsnetzen, mit der vereinfacht dargestellt, einem oder mehreren Diensten eine definierte Qualität, z.B. Bandbreite oder Latenz, garantiert wird. Anwendung findet diese Technologie zum Beispiel beim Fernsehen über das Internet (IPTV) oder der IP-Telefonie (VoIP).
Serviceklassen
Einfach gesagt: Ihr habt eine BIS ZU 16000 Mbit Leitung die real 12000Mbit leistet, dann könnte man mit QoS 2 Mbit für Telefongespräche garantieren und 8Mbit für Fernsehen.
Fernsehen könnte man als eine Serviceklasse bezeichnen und Telefonieren auch als eine.
Fernsehen ist dann Serviceklasse 1 Telefonieren Serviceklasse 2 alles andere Serviceklasse 3.
Dafür dass Serviceklasse 1 und 2 eine Qualität (in unserem Beispiel Bandbreite) garantiert
wird, müssen andere Dienste leiden und diese Dienste werden ausgebremst.
Merke: Keine Priorisierung möglich, ohne andere Dienste zu bremsen.
Allen anderen Diensten, euren Musikstream von Soundcloud, eurem Skype oder Teamspeak, eurem Onlinegame, Facebook und was ihr sonst noch so tut, stehen, wenn der Fernseher läuft und ggf. jemand telefoniert, nur noch 2Mbit zur Verfügung.
World of Warcraft ruckelt dann, die Musik wird abgehackt, Seiten laden langsam, das E-Mailprogramm braucht ewig mit diesen verflixten großen Anhängen etc. etc.
Aber Telefonieren und Fernsehen geht ohne Probleme.
Quality of Service ist erstmal nichts schlechtes.
In Firmennetzwerken wird es z.B. eingesetzt um kritischen Firmenanwendungen immer genug Netzkapazität einzuräumen oder auch zu Hause am eigenen Router möchte man das durchführen können.
Kritisch wird es erst wenn Provider so etwas tun und für uns entscheiden was für uns Priorität hat, was wir wollen und nicht wollen, dürfen und nicht dürfen.
Der Provider kann unliebsame oder Konkurenzangebote verlangsamen, oder wie es die Mobilfunkanbieter tun, Telefonie Services und Apps einfach sperren, wie im Mobilfunk Fall.
Angegeben nur sehr waage im ganz klein gedruckten.
Zum, Beispiel Vodafail
Vodafone: 5.Die Nutzung für Peer-to-Peer-Kommunikation ist nicht gestattet.
Music Streaming: Music Flat mit unbegrenztem Zugang zu über 18 Mio. Songs [Anmerkung: geht nicht vom Datenvolumen ab!]
Internet Telefonie: Telefonie über das Internet (VoIP) [Anmerkung: und Instant Messaging!!!11]
Fühlt man sich schon sehr stark an die schon seit Jahren prophezeite Horror Vision erinnert die dieses Bild zeigt:
Hier einen Ausblick was aus dem Netz werden könnte:
Wir sind der Meinung Netzneutralität sollte gesetzlich, am besten gleich auf EU Ebene, festgeschrieben werden, so wie in den Niederlanden und Slowenien.
Aber noch einmal zum Mobilfunkmarkt.
Die Gegener einer gesetzlichen Regelung führen als Argument oft ins Feld:
"Der Markt regelt dass schon, da kommt einer und macht ein besseres Angebot mit weniger Einschränkungen, dann müssen alle schon nachziehen"
Wie in diesem Video, das eigentlich ganz gut anfängt:
Im Mobilfunk sehen wir klar, seit 2006 also seit ca. 7 Jahren, macht kein Anbieter ein Angebot für einen netzneutralen Zugang.
Wir können nicht wählen und zu dem Anbieter ohne Einschränkungen gehen, selbst wenn wir mehr zahlen wollten.
Der Markt regelt das NICHT.
Das war auch der Tenor während der Diskussion.
Es gibt viele nette Erklärungsvideos zur Netzneutralität auf YouTube, leider beleuchten diese das Thema immer nur zu einem Teilaspekt.
zum Beispiel:
Dieses beschäftigt sich mit dem Zugang zu Bildung und Kultur
Oder dieses der FH Aachen:
Oder die Videos sind zwar umfassend und gut erklärt, aber in der Sound und Produktionsqualität suboptimal, zum Beispiel:
Ebenfalls ein großer Vorteil:
Es bespricht in kurzen verständlichen Abschnitten warum Netzbetreiber die Netzneutralität brechen wollen,
und auch die Mythen, die damit verbunden sind.
Der Nachteil:
Für den Ottonormal Verbraucher ist da zuviel spezielle Information. Und der Umfang mit 28 Seiten ist zum Verteilen zu lang.
Es ist also schon umfangreiche Grundlagenarbeit von vielen zum Thema Netzneutralität vorhanden.
Während der Diskussion kristallisierte sich jedoch heraus, dass eine Konsumentenfreundliche Kurzversion als Flyer oder Faltblatt einfach noch fehlt.
Vielleicht auch ein Begleitvideo, das das Thema für den Konsumenten ohne großen technischen Hintergrund aufarbeitet und mit dem Flyer einhergeht.
Deshalb wollen wir uns in der Runde noch einmal treffen, um darüber zu reden wie man so etwas umsetzen könnte.
Partei Medien
Politisch ist das Thema bei einigen Parteien auch schon angekommen, die das auch wirklich gut und anschaulich kommunizieren, bei denen Netzneutralität jedoch nicht im Mittelpunkt der Animation steht.
Das ist ein Video der Grünen. (Und nicht wie man erwarten könnte der Gender Piraten, zu deren ehemaligen Themen das Internet gehörte.)
Das Video holt den Zuschauer dort ab wo er steht und begleitet an anschaulichen Beispielen die neu entstanden Probleme des Digitalen Zeitalters.
Ein Beispiel wie auch eine Kampagne zur Netzneutralität aussehen könnte.
Netze in denen Netzneutralität nicht gilt.
Netzneutralität ist angelegenheit die nicht nur das Internet betrifft, wir kaben schon ein nicht-netzneutrales transportmedium.
Ihr erinnert euch, die Bemerkung zum Kabelfernsehen weiter oben?
Hier ein Beitrag darüber wie es da gerade rumort:
Ein Netz ohne Netzneutralität, mit Endgelten für das einspeisen und Endgelten fürs ansehen. Und verallgemeinernd gesagt, keine Chance für euren Startup Fernsehsender.
Ein weiteres Thema der Diskussion war Deep Packet Inspection.
Das werden wir dann nochmal in einem eigenen Post beleuchten.
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Weitere Videolinks:
Am 30.08.2012 haben wir offiziell die Kampagne gegen das Leistungsschutzrecht gestartet und seitdem ist viel passiert.
Angefangen hatte alles damit, dass wir mit vielen anderen Netzaktivisten sämtliche Bundestagsabgeordnete anschrieben, um unseren Unmut kundzutun.
Wir erhielten einige Antworten, positiv wie negativ und bedankten uns bei allen MdB, welche sich Zeit genommen haben uns ein paar Worte zu schreiben.
Einige Antworten sind auch im letzten Blogpost nachzulesen.
Amüsanterweise bekamen wir teilweise von dem ein oder Anderen MdB vorgeworfen, dass wir in die Sterne schauen würden und unsere Sorge nicht berechtigt wäre.
Doch wir Wahrsager haben anscheinend ein recht gutes Gespür für das Netz, denn genau unsere Bedenken äußerte auch das Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht.
Für eine ordentliche Diskussion des Leitungsschutzrechts ist aber weiterhin Druck durch die Bevölkerung nötig, daher kommt die Kampagne von Google gerade ganz recht.
Eine Nachricht auf neunetz.com habe die Bundestags-Linken per Anfrage heraus finden lassen, wann nun die Debatte stattfinden soll.
Die Antwort war: Eine Dikussion wird stattfinden, aber am Donnerstag um 1:50-2:25Uhr. 35 Minuten mitten in der Nacht.
Update I :
Nach Anfragen von Ole Reißmann an Petra Sitte (Die Linke) soll die Debatte am Donnerstag um 22.35 Uhr stattfinden.
Es ist also auf jeden Fall weitere Unterstützung von uns Bürgern notwendig. Wie wir bereits zuvor dazu aufriefen, Bundestagsabgeordnete zu kontaktieren, so tun wir das weiterhin.
Informationen und Musterschreiben sind bei unserem älteren Blogeintrag zu dem Thema zu finden
Heute etwas aus der Rubrik "Anonymous von Anderswo".
Die Anonymous Zelle aus New York hat ihrem Ärger mit Facebook Spinnern, dauernd DDoSenden IRC Lurkern, Verschwörungstheoretikern und sonstigen Trittbrettfahrern mal ordentlich Luft gemacht.
Obwohl wir nicht allen Punkten vollständig zustimmen, da die Entwicklung in Deutschland sich ab 2009 ein wenig anders aussah, teilen wir die Schlussfolgerungen und viele der Beobachtungen.
Der Text ist sehr schön geschrieben und wir möchten ihn euch nicht vorenthalten:
<English>
Today some of the category "Anonymous from elsewhere".
Anonymous from New York City made a nice post on thier blog about the trouble with all the Facebook Moonbats, constantly DDoS'ing IRC lurkers, conspiracy theorists and other copycats. Although we may not agree with all the points raised given the fact that developments in Germany from 2009 looked slightly different, we share many of the observations and conclusions. The text is very well worded and we want to share it with you.
“WikiLeaks –Geheimnisse und Lügen”: 3sat bringt umstrittene Dokumentation
Am Dienstag den 11.9.2012 sendete 3sat eine Dokumentation über WikiLeaks, in deren Zentrum Julian Assange steht. Leider lässt die Guardian-nahe TV-Produktion überwiegend Guardian-Journalisten zu Wort kommen, die zumeist nur Negatives zum WikiLeaks-Gründer zu sagen haben. Guardian, Spiegel und New York Times bildeten 2010 ein Medienkonsortium, das die Leaks aus den Irak- und Afghanistan-Kriegen sowie vertrauliche US-Depeschen exklusiv vermarkten durfte. Doch schon bald kam es zum Bruch mit Assange und zur Gegnerschaft vor allem zum Guardian.
Aufhänger ist ein vierstündiges Home-Interview mit Assange, damals noch im britischen Hausarrest, aus dem aber nur acht Minuten heraus gefiltert wurden. Diese acht Minuten wurden zerhackt und in kleinen Happen zwischen die Statements seiner Gegner geschnitten. So entsteht der Eindruck eines Tribunals, vor dem Assange auf die Vorwürfe antworten kann. Doch was er sagen darf, bestimmen die Macher der Doku. Am Ende hat man nichts Neues erfahren, aber sämtliche Vorwürfe gegen WikiLeaks wurden noch einmal aufgewärmt und suggestiv präsentiert. WikiLeaks protestierte gegen diese Darstellung.
Schwer wiegen vor allem Beschuldigungen, Assange hätte bezüglich der Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gelogen, an seinen Händen würde „Blut kleben“ und Quellenschutz wäre ihm unwichtig. Sogar die Schuld an der Inhaftierung des mutmaßlichen Whistleblowers Bradley Manning wird ihm tendenziell angelastet. Sein ständiger Einsatz und seine Fürsprache für Manning wird verschwiegen. Statt dessen wird mit entsprechend eingefügten Interview-Passagen der Eindruck nahegelegt, Assange wäre der Schutz seiner Whistleblower gleichgültig, er wolle sie höheren Zielen opfern.
Dies alles behauptet die Doku nicht selbst, aber sie lässt einen Assange-Gegner nach dem anderen sprechen. So wird die Gegnerschar quasi zu Zeugen der Anklage stilisiert, ihre Aussagen zu Beweismaterial –abgemischt mit unterstützenden TV-Bildern, Presseberichten und Statements der US-Regierung. Dazwischen geschnitten sind Assange-Passagen, die zu seiner Verteidigung weitgehend nutzlos sind. Das erweckt nur auf den ersten Blick den Eindruck einer fairen Rede und Gegenrede –Assange bekommt tatsächlich kaum eine Chance, sich gegen Beschuldigungen zu wehren.
Daniel Domscheit-Berg, der deutsche WikiLeaks-Abspalter und OpenLeaks-Gründer, ist der erste einer ganzen Phalanx von früheren Assange-Mitstreitern, die heute seine Gegner sind. Alle lässt der Film gegen den WikiLeaks-Gründer aufmarschieren. In Szene gesetzt werden sie nach einem einheitlichen Muster: Zuerst dürfen sie beschreiben, wie nett sie „Julian“ anfangs fanden, aber dann zeigte Assange ihnen sein angeblich „wahres“ Gesicht: Das eines „Lügners“, „Mafiosos“ und „Irren“, eines „wahren Ungeheuers“ (Zitate).
Assange der Kultführer
Die Hauptzeugen der Anklage kommen aus der Redaktion des Guardian: David Leigh und Nick Davies. Sie loben Julian erst überschwenglich, beschreiben die Zusammenarbeit mit ihm aber als irgendwie merkwürdig, er sei wie ein „Kultführer“, der „nicht von diesem Planeten“ stamme.
David Leigh beginnt leutselig:
„Julian umgab ein seltsames Charisma, er benahm sich, als sei er ein Kultführer. Wir machten sehr bald Witze über die Leute um ihn herum, die Brause-Limonade tranken (...) Also nahm ich ihn mit in unsere Wohnung, gab ihm unser Gästebett. Nur schlief er nicht darin, sondern saß die ganze Nacht vor seinem Laptop und machte geheimnisvolle Dinge. Dann, um fünf Uhr früh, kippte er plötzlich weg. Er trug diese braune Lederjacke, immer bis zum Hals hoch geknöpft. Die zog er nie aus. Um fünf Uhr, am Ende seines Arbeitspensums, fiel er um und schlief in seiner zugeknöpften Lederjacke ein. Solche Dinge gaben einem das Gefühl, man hätte es mit jemandem zu tun, der nicht von diesem Planeten ist.“
Das klingt etwas nach Hacker-Klischee, aber noch ganz nett, doch Leigh schließt später im Film seine Beschreibung von Assange weniger freundlich ab:
„Er schüttelte mir die Hand, schaute mir in die Augen wie ein Mafioso und sagte: ‚Sei vorsichtig‘, so auf diese Art. Ich fand das lächerlich, wie mich diese Person bedroht hat. Seit dem habe ich nicht mehr mit Julian Assange gesprochen...“
Der Guardian-Journalist Nick Davies bezichtigt Assange mehrfach der Lüge und zieht dann den Bogen zu den sexuellen Missbrauchsvorwürfen aus Schweden:
„Assange glaubt an die Dinge, die er ausspricht, in dem Moment, in dem er sie ausspricht. Das ist so wie bei den beiden Frauen aus Schweden. Wenn er das als schmutzige Tricks des Pentagon bezeichnet, dann glaubt er auch daran.“
Davies glaubt nicht daran. Unklar bleibt, woher Nick Davies sein Wissen darüber nimmt, wer hier die Wahrheit sagte und wer nicht. Davies redet sich über Assange regelrecht in Rage, zieht die Brauen hoch, rollt mit den Augen und empört sich:
„Ich vermute, fast jeder, der ihm nahe kommt, erlebt das mit: Man beginnt ihn zu mögen und ihm zu vertrauen und plötzlich erscheint aus dem Nichts dieses Ungeheuer! Wo um Himmels Willen kommt das jetzt her! Plötzlich erkennt man diesen außergewöhnlich verlogenen Mann, ich bin niemals einem derart unehrlichen Menschen wie Julian Assange begegnet!“
Navy-Seals und Menschenrechte
Vieles bewegt sich auf der Ebene persönlicher Vorwürfe gegen Julian Assange, doch auch die Leaks selbst werden hauptsächlich von ihrer negativen Seite dargestellt. Der Abschnitt über die Publikation der Afghan War Diaries durch Guardian, Spiegel & New York Times rückt die Gegenwehr der US-Regierung in den Mittelpunkt. Aber sie wird nicht analysiert oder reflektiert, sondern einfach im O-Ton wieder gegeben und bestätigt:
„48 Stunden lang sprach die ganze Welt von zivilen Opfern und von Taskforce 373, dann fand die NYT auf WikiLeaks Dokumente, die eindeutig die Sicherheit afghanischer Zivilisten gefährdeten.“ Einspieler aus US-Fernsehen: „An WikiLeaks Händen klebt Blut!“ An dieser Stelle der Doku wiederholt ein unheimlicher, aber kaum wahrnehmbarer Hall-Effekt: „...klebt Blut!“
Problematisiert wird in der Doku nicht, dass unter dem Namen „Taskforce 373“ eine US-Kommandoeinheit jenseits der Genfer Konvention Mordanschläge auf als Taliban Verdächtige (und teilweise ihre Familien) durchführte. Wohl aber der „Geheimnisverrat“ durch WikiLeaks, der die Informanten von „Taskforce 373“ gefährdet haben könnte (was bis heute nicht bewiesen ist). Folgerichtig kommt dazu kein Menschenrechts-Experte zu Wort, sondern der US-Navy-Seal (Elitesoldat) Christopher Heben:
„Julian Assange und sein Haufen aufmüpfiger Dummköpfe denken, sie verschießen mal eben diese ganzen Informationen über den Globus und tragen damit zum Weltfrieden bei. Weiter entfernt von der Wahrheit könnte das gar nicht sein. Sie untergraben damit die Fähigkeit der NATO, für Stabilität in fast jeder Unruhe-Region der Welt zu sorgen ... es gibt Drecksarbeit da draußen und die muss getan werden.“
Sogar die Verhaftung und Folterung Bradley Mannings wird tendenziell Assange angelastet. Dabei übernimmt die Doku die Version der US-Regierung und stempelt den mutmaßlichen Whistleblower bereits jetzt zum Schuldigen. Manning stand inzwischen in seiner Vorverhandlung vor dem Militärgericht in Fort Meade, Maryland, hat dort aber keineswegs gestanden der gesuchte Whistleblower zu sein, geschweige denn Assange belastet. Als „Beweise“ dafür präsentiert die Doku nur die lange bekannten Screenshots eines Chats, in dem Manning angeblich zugab, die Geheimdateien geleakt zu haben. Der Anwalt von Bradley Manning hat für seinen Klienten mildernd geltend gemacht, dass kein einziges der angeblich blutigen Opfer des „Geheimnisverrats“ bislang nachgewiesen wurde.
Die Hauptkontroverse von WikiLeaks mit dem Guardian kreiste 2011 um das in einem Guardian-Buch publizierte Passwort für die verschlüsselten US-Depeschen. Die vertraulichen Depeschen wurden damit auf einen Schlag für alle Welt lesbar, was etliche Skandale entfachte und generelle Zweifel am Konzept der Whistleblower-Plattform aufkommen ließ. Die Kontroverse wird in der Doku nur andeutungsweise und zu Lasten von Assange angerissen, zu Wort kommt dazu allein der Buchautor David Leigh. Er wedelt mit einem Stück Papier vor der Kamera herum und behauptet:
“...dieses Stück Papier hat Assange beschrieben... Er sagte mir, dass dieser Ordner dann ablaufen würde, innerhalb von ein paar Stunden gelöscht würde... das hatte viel von James Bond.”
Nur wer die ganze Geschichte kennt, kann hier ahnen, dass es sich wohl um das bewusste Passwort handeln sollte. Mit dem Depeschen-Streit zwischen Assange und Guardian wird kein direkter Zusammenhang hergestellt, aber Assange wird implizit die Alleinschuld zugeschoben. Die Frage nach eigener Sorgfaltspflicht stellen sich die Top-Journalisten des Guardian nicht, obwohl sie durchaus damit hätten rechnen können, dass auch der um den Globus gehetzten Hackergruppe Fehler unterlaufen würden. Fazit: Wer ausschießlich diese Dokumentation kennt, der kann am Ende wohl nur gegen Julian Assange sein. Glücklicherweise gibt es andere, weniger einseitige Dokumentationen über WikiLeaks. /GRR >> http://jasminrevolution.wordpress.com/
“WikiLeaks –Geheimnisse und Lügen”, Buch und Regie: Patrick Forbes, Redaktion: Reinhart Lohmann (ZDF), dt. Erstausstrahlung auf Arte, 14.02.2012, 3sat 11.09.2012
Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger wurde am 29. August 2012 im Bundeskabinett beschlossen und muss nun vom Bundestag und Bundesrat genehmigt werden. Doch was ist das Leistungsschutzrecht eigentlich? Das Leistungsschutzgesetz soll Verlegern eine Vergütung sichern, wenn ihre Werke im Internet verwendet werden. Dabei werden auch kleine "Snippets" geschützt, also kleinste Textauszüge. Das Leistungsschutzrecht zielt dabei auf Google News ab, da Google, aus Sicht der Verleger, sich unrechtmäßig an den Werken anderer bedient.
Der Grundgedanke ist verständlich, Google und andere Newsdienste "bedienen" sich automatisiert am Werk anderer - aber sie machen damit ja auch eigentlich Werbung für den Verleger. Und es ist ja nicht so, dass die Verleger sich nicht schützen könnten: Mit einer kleinen Textdatei, der Robots.txt kann man dem Suchmaschinendienst kurzerhand die Indezierung untersagen - aber das wollen die Verleger ja nicht. Stattdessen wollen sie doppelt profitieren: einmal vom Suchergebnis und einmal vom Klick.
Welche Auswirkungen hat das Leistungsschutzrecht?
1) Das Finden von Informationen im Internet wird extrem gestört. Dadurch, dass Suchmaschinen in Zukunft Presseverlage kurzerhand vom Index nehmen können um deren Gebühren nicht zu bezahlen wird die Suche nach Information im Internet deutlich ungenauer, aufwändiger und schwieriger. Gerade kleinere Suchmaschinenanbieter können sich durch das Leistungsschutzrecht abgeschreckt fühlen und werden diese Lösung bevorzugen - dadurch wird die Monopolstellung des finanzstarken Google-Konzerns noch verstärkt.
2) Das Leistungsschutzrecht schafft Unsicherheiten in sicherem Raum. Die Texte der Verleger sind über das Urheberrecht bereits geschützt, ab einer gewissen Schöpfungshöhe. Das bedeutet das der Text als Ganzes geschützt ist, nur die Überschrift oder der kleine Snippet eben nicht. Durch das Leistungsschutzrecht wird dort Unsicherheit geschaffen weil Suchmaschinen nie wissen werden, wer nun das Leistungsschutzrecht in Anspruch nimmt 3) Das Leistungsschutzrecht macht eine Verwertungsgesellschaft ähnlich der GEMA nötig, diese Verwertungsgesellschaft wird einen Verwertungsschlüssel festlegen der sich wahrscheinlich auf die
Reichweite eines Angebotes stützen wird. Somit bekommen die, die eh eine hohe Reichweite haben in Zukunft noch mehr, und die kleinen Verlage profitieren kaum vom Leistungsschutzrecht. Beispiel dazu: Derzeit haben die größten 10 Verlage 60% der Werbeumsätze
Was kann ich tun?
Bevor das Leistungsschutzrecht in Kraft tritt muss es noch den Bundesrat und den Bundestag passieren.
Dort kann es gestoppt werden!
Darum sagt den Bundestagsabgeordneten, was ihr vom Leistungsschutzrecht haltet.
Wir haben euch dafür einen Musterbrief, die von einem Anwalt geprüft und für richtig befunden wurde, vorbereitet und die E-Mail-Adressen aller Bundestagsabgeordneten zusammengetragen.
Wir fordern euch nicht dazu auf diese zu Spammen - es reicht völlig, wenn ihr jedem eine E-Mail schreibt ;)
Der Text:
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie Sie vermutlich wissen, wurde am Mittwoch, dem 29. August 2012, im Bundeskabinett das Leistungsschutzgesetz für Presseerzeugnisse im Internet verabschiedet und dass darüber bald sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat debattiert werden muss, ist Ihnen sicherlich auch bekannt.
Da dieses Gesetz extreme Auswirkungen auf das deutsche Internet haben wird, möchten wir Ihnen hiermit ein paar Argumente vorbringen, um Sie zu informieren und hoffentlich zu überzeugen, gegen das Leistungsschutzrecht zu stimmen.
Das Leistungsschutzrecht hat einen unterstützenswerten Grundgedanken:
Journalistische Leistungen sollen im Internet besser geschützt und die Urheber für die Verwendung ihrer Leistungen bezahlt werden.
Leider wird dieser Grundgedanke auch nicht durch das Leistungschutzgesetz umgesetzt.
Durch das Leistungsschutzrecht bekommen schon kleine Fetzen von Werken einen Sonderstatus - damit steht das Leistungsschutzrecht im Konflikt zum Urheberrecht, welches besagt, dass ein Werk eine gewisse Schöpfungshöhe erreicht haben muss, um geschützt zu sein.
Ein einzelner Satz oder kurzer Auszug reicht demnach nicht für das Urheberrecht - wohl aber für das Leistungsschutzrecht.
Insgesamt ist das Leistungsschutzrecht zu vage formuliert und kann zu Fehlinterpretationen führen.
So ist bisher nicht klargestellt, wie ein Verwertungsschlüssel für die verwendeten Textsegmente auszusehen hat, dadurch könnten kleinere Blogs/Suchanbieter/Contentfilter System etc. abgeschreckt und verunsichert werden.
Google kann mit seinem Service in Verhandlungen mit den Verlagshäusern ein Gegengewicht liefern.
Das kann dazu führen, dass jene Informationsanbieter/Aufbereiter Verlage grundsätzlich aus dem Suchmuster ausschließen.
Das wäre zum einen schädlich für die Verlage und zum anderen würde es die Internetsuche stark beeinträchtigen. Es kann sogar soweit kommen, dass die Monopolbildung der Suchmaschinenanbieter noch weiter zu Gunsten Googles verstärken wird.
Hinzu kommt auch, dass Verlage ein einfaches technisches Mittel hätten, um ihre Werke vor der Verwendung durch Suchmaschinen zu schützen/verstecken: Über eine einfache Textdatei ( "robort.txt" im Hauptverzeichnis einer Webseite) mit 2 Befehlszeilen kann man genau bestimmen, welche Suchmaschinen den Inhalt dieser Seite durchsuchen dürfen – und welche nicht.
Das Gesetz schafft also mehr Unsicherheiten in einem Raum als dass es zur Klärung bestimmter neuzeitlicher Probleme dient.
Es wird langfristig die Falschen treffen, da auch Kleinunternehmer (die z.B. Werbung auf ihrem Blog schalten) durch das Leistungsschutzrecht betroffen sind, sowie Blogger, die regelmäßig über ein bestimmes Thema schreiben.
Hoffentlich bewegt diese Mail Sie dazu, sich noch einmal genau mit dem Thema zu befassen und einige Punkte zu beachten, die sonst eventuell untergegangen wären.
Mit freundlichem Gruß
Weiterführende Informationen für Sie, damit Sie sich Ihre eigene Meinung bilden können: